Kann der tödliche Schuss eines Rockers auf einen Polizeibeamten durch eine geschlossene Tür Notwehr sein?
Der Angeklagte, Mitglied der Rockergruppe Hells Angels wurde zunächst vom Landgericht wegen Totschlags verurteilt. Als ein Sondereinsatzkommando der Polizei versuchte, gewaltsam in seine Wohnung einzudringen, glaubte der Angeklagte, es handele sich um einen Anschlag auf sein Leben durch Mitglieder der Rockergruppe Bandidos. Er gab daraufhin zwei Schüsse durch eine geschlossene Tür ab; dabei wurde ein Polizeibeamter tödlich verletzt. Als der Angeklagte seinen Irrtum bemerkte, ließ er sich widerstandslos festnehmen. Das Landgericht verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Notwehr und führte aus, der Angeklagte hätte zunächst einen Warnschuss abgeben müssen.
Der BGH dagegen entschied, dass die Notwehrlage aus Sicht des Angeklagten zweifelsfrei gegeben war und deshalb ein Warnschuss nicht notwendig war. Angesichts des verdeckten Vorgehens der Polizei war der Angeklagte davon ausgegangen, dass ein Angriff der Bandidos auf sein Leben bevorstand. In einer solchen Situation ist ein sofortiger Schusswaffeneinsatz gegen die Angreifer gerechtfertigt. Bei Abgabe eines Warnschusses hätte der Angeklagte damit rechnen müssen, dass die Angreifer ihrerseits dann sofort das Feuer auf ihn eröffnen würden. Dieses Risiko musste der Angeklagte nicht eingehen, da für ihn nicht erkennbar war, dass ein Sondereinsatzkommando der Polizei vor seiner Tür steht. Eine Strafbarkeit nach § 212 StGB wegen Totschlags scheidet deshalb aus; auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung verneint der BGH. Der Irrtum war für den Angeklagten nicht vermeidbar.