Kann die Nichtaushändigung der Anklageschrift in einer Sprache, die der Angeklagte versteht, ein Revisionsgrund sein?
Der BGH hat klar gestellt, dass ein Angeklagter bereits vor Beginn der Hauptverhandlung nach Art. 6 Abs. 3 EMRK einen Anspruch auf Aushändigung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache in Form einer schriftlichen Übersetzung hat. Eine mündliche Übersetzung genügt nicht, auch wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat. Dies ergibt sich auch aus § 187 Abs. 2 GVG. Der Beschuldigte soll umfassend informiert darüber sein, was ihm vorgeworfen wird. Im konkreten Fall hat der BGH dennoch einen Revisionsgrund verneint, da er der Auffassung war, dass das nach 25 Verhandlungstagen ergangene Urteil nicht fehlerhaft aufgrund eines Informationsdefizits des Angeklagten am zweiten Verhandlungstag sein könne. Diese Ansicht wird bezweifelt, da sich ein Beschuldigter wohl nur dann effektiv wird verteidigen können, wenn ihm von Anfang klar ist, welche genauen Vorwürfe ihm entsprechend der Anklageschrift gemacht werden. Ein anderes Verteidigungsverhalten auf Grundlage einer übersetzten Anklageschrift, welches sich dann sehr wohl auf das Urteil auswirkt, kann jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen werden.